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Der Mann, der Genießern Saures gibt (Berliner Morgenpost, 20.11.2010)

Essigbrauer Erwin Gegenbauer macht Spitzenessige, die man sogar trinken kann und die weltweit gefragt sind. Das Getränk sah aus wie Kir Royal, schmeckte aber doch anders. Fruchtig, trocken, aromatisch mit sanfter Säure. Die Gäste des Berlin Capital Clubs am Gendarmenmarkt rätselten und konnten kaum glauben, dass man ihnen ein paar Tropfen Essig in den Champagner geträufelt hatte. Nicht irgendeinen Essig, sondern Schwarzen-Johannisbeer-Essig von Gegenbauer. Nur eine von rund 70 Sorten, die in der kleinen Wiener Essigbrauerei gefertigt werden und weltweit bei Gourmets und Spitzenköchen gefragt sind. Als Trinkessig wurde er schon im Lorenz- Adlon ausgeschenkt. Bei Berlins einzigem Zwei-Sterne- Koch Christian Lohse steht unter anderem Gegenbauers Quittenessig in der Küche. Aber auch Hobbyköche haben die sauren Gegenbauer-Produkte zum Kochen und Trinken entdeckt. In Berlin sind sie im KaDeWe und in den beiden Filialen des Frischeparadieses Lindenberg erhältlich.

Zwei Drittel der Produktion gehen ins Ausland, unter anderem in die USA, nach Australien und nach Japan. Warum alle Welt plötzlich Essig aus der kleinen Wiener Manufaktur, die nur sieben Mitarbeiter und eine Tagesproduktion von maximal 70 Litern hat, haben will, hat seine Gründe. Im Gegensatz zu den gängigen Supermarkt-Produkten sind die Gegenbauer-Essige weder pasteurisiert noch filtriert und bestehen ausschließlich aus natürlichen Zutaten. Zum Beispiel für Essig ungewöhnlichen Früchten und Gemüsesorten wie Spargel, Tomaten oder Zitronengras und aus erstklassigen Grundweinen von namhaften Weingütern (z. B. Tschida oder Bio-Weingut Michlits).

Essig ist neben Wein und Olivenöl eines der ältesten Kulturgüter der Welt und wurde eher zufällig entdeckt – eben weil ein Wein stehen blieb und sauer wurde. Um 1400 wurde in Frankreich das erste Mal Essig in einer Fabrik hergestellt. Er diente verdünnt als Durstlöscher, war aber vor allem Heil- und Konservierungsmittel.

Heute gilt Essig als Essig, wenn er zwischen fünf und 15,5 Prozent Säuregehalt hat. Was darüber liegt, ist eher ein Putzmittel. Was darunter liegt – wie Gegenbauers „Edelsaurer P.X.“ aus der Sherry- Traube Pedro Ximénez mit drei Prozent Säuregehalt – darf sich nicht Essig nennen.

Bereits seit 20 Jahren experimentiert Erwin Gegenbauer mit Essigen, zu seinen Neuheiten gehören Safran- und Honig-Essige. „Aktuell entwickle ich Öle aus Himbeer- und Johannisbeerkernen in einem eigens entwickelten Pressverfahren.“ Aber nicht jede Frucht macht so mit, wie sie soll: „Erdbeeressig gelingt mir einfach nicht – und auch Banane war kein wirklicher Erfolg“, räumt der Essigbrauer ein. Er leitet das Familien-Unternehmen in dritter Generation. 1929 begann der Großvater mit Sauerkraut, der Vater spezialisierte sich auf Essiggurken und anderes Sauergemüse. Erwin Gegenbauer, Burnout-geplagt von der Massenproduktion, verkaufte schließlich die Konservenfabrik und verlegte sich aufs Essigbrauen. Er hält sich für einen guten Handwerker, der Spieltrieb und Qualitätsanspruch miteinander vereint.

Zur Qualität gehört auch viel Zeit: Nach den Gärprozessen reifen die Gegenbauer-Fruchtessige mindestens drei Jahre im Keller in Glasballons. Balsamessige bekommen mindestens fünf Jahre Reifezeit. Von wegen Zeit: Laut Gesetz benötigt Essig kein Mindeshaltbarkeitsdatum. Aber da geht Erwin Gegenbauer auf Nummer sicher – um etwaigen Änderungen im Lebensmittelrecht vorzubeugen – und schreibt seinen Flaschen drei Jahre Mindesthaltbarkeit zu. Aber so lange halten sie im Allgemeinen nicht. Dazu schmecken sie zu gut.

GEGENBAUER - Aperitif und Putzmittel Multitalent Essig ist ein Würz- und Konservierungsmittel, das durch Fermentation von Alkohol mit Essigsäurebakterien hergestellt wird. Feine Essige können als Aperitif oder als Digestif getrunken werden. Sehr säurehaltige Essige (mehr als 15 Prozent) werden zum Putzen verwandt.

Buchtipp: Auch die Essigproduktion im eigenen Haushalt ist möglich, aber zeitintensiv und nichts für Gelegenheits- Brauer. Das neue Buch „Essig herstellen als Hobby“ (Vlg. die Werkstatt, 16,90 ) werden die einzelnen Schritte detailliert erklärt und Tipps für das nötige Werkzeug gegeben.

Text: Carola v. Pompetzki